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Wie Hörverlust Demenz bedingt

  • j.hoehnke

Familiengeburtstag. Alle sitzen heiter beieinander, reden über Neuigkeiten aus dem Leben und schwelgen in Erinnerungen. Alles in allem ein schöner Nachmittag. Außer für Opa Klaus. Er sitzt an der Stirnseite der reich gedeckten Tafel, schlürft an seinem Kaffee, den er gerade ohne etwas zu verkippen zum Mund führt und wirkt in sich gekehrt. Er sieht anteilnahmslos aus, schaut nach rechts und links – dann lautes Gelächter! Noah, sein Urenkel, hat einen Witz erzählt. Opa Klaus lacht mit, allerdings merklich verzögert. Hat er den Witz vielleicht zu spät verstanden? Was ist mit ihm los?

So, oder so ähnlich sehen viele Familienfeiern häufig aus. Aus der Perspektive hörgeminderter Menschen ist es in dem lauten Durcheinander schwierig zu folgen. Trotz Hörgeräten verschwimmen die vielen Stimmen im Kopf, da die Fähigkeit gezielt Gespräche zu filtern, ebenfalls eingeschränkt ist. Es gilt: Hören ist Orientierung, Hören ist Teilhabe, Hören ist Leben!

Wie hängen Hörminderungen und Demenz zusammen?

Der Deutsche Schwerhörigenbund zählt für Mecklenburg-Vorpommern ca. 300.000 Menschen, die von einer Hörminderung betroffen sind1. Die Altersschwerhörigkeit macht dabei den größten Anteil der Arten von Hörbehinderung aus. Jüngste Untersuchungen zeigen, Hörverlust ist zu 8 % ursächlich für Demenzerkrankungen2. In Bezug darauf wirken verschiedene Aspekte zusammen: 

  • Zum einen können durch die geminderte Hörfähigkeit psychosoziale Beeinträchtigungen, wie Isolation und Depression verstärkt werden.  
  • Auf einer anderen Ebene trägt die fehlende Beteiligung an der Kommunikation auch dazu bei, dass weniger Denkprozesse von Statten gehen, sodass es auch zu weniger geistiger Aktivität kommt.  
  • Darüber hinaus hat unser Gehör eine Verbindung zum limbischen System, welches für unsere Emotionen zuständig ist. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn wir ein Musikstück hören, welches in uns Freude, Traurigkeit oder andere Gefühle auslöst.  

Ist die Hörfähigkeit gemindert, verkümmern demnach die Bereiche der Informationsaufnahme, der Orientierung, der Empfindung und der Beurteilung. All diese negativen Auswirkungen sind in einem gewissen Maß wiederum ursächlich für die Verstärkung einer Demenzerkrankung – eine Negativspirale!  

Die Beeinträchtigung der Hörfähigkeit ist ein weites Feld und neben der hier geäußerten Altersschwerhörigkeit sind auch andere Formen der Störung (z. B. die Gehörlosigkeit von Geburt an) von Bedeutung. Leider sind medizinische Diagnoseverfahren nur sehr selten auf die Bedürfnisse der Hörgeschädigten ausgerichtet, sodass es einer erhöhten Sensibilität in den einzelnen Versorgungsbereichen braucht. Dabei helfen vor allem die Angehörigen, welche die Krankengeschichte oft schon kennen.  

Hinzu kommt: Hörminderung und Demenz können auch verwechselt werden. Denn Kommunikationsstörungen und Orientierungsprobleme stellen Symptome beider Erkrankungen dar. Fatal wird es beispielsweise dann, wenn bei der Demenzdiagnostik Aufgabenstellungen falsch beantwortet werden, weil sie nicht gehört wurden – Hören und Verstehen werden hierbei verwechselt. Nicht selten ist eine Hörbehinderung schambehaftet, sodass eine klare Äußerung der Defizite ausbleibt. Es kommt zu sogenannten Ersatzstrategien, wie das Kopfnicken, obwohl die Inhalte nicht verstanden wurden, das Mitlachen, weil alle anderen lachen oder sogar dem Vermeiden von Gesellschaft, weil man sich den schwierigen Situationen nicht aussetzen will. 

Was kann hilfreich sein? 

Zunächst einmal ist auch hier die Diagnostik entscheidend. Inwieweit die Hörfunktionen beeinträchtigt sind, kann bei HNO-Ärzten erhoben werden. Bei der Verwendung von Hörgeräten, sollte man sich bewusst sein, dass die Hörfähigkeit trotz dessen eingeschränkt ist. Beispielsweise können viele Modelle Hintergrundgeräusche nicht filtern, sodass ein laufender Fernseher oder ein Gespräch in der Fußgängerzone – ungeachtet der Hörhilfe – Schwierigkeiten bereitet. Zudem sollte beachtet werden, dass Überempfindlichkeit bei lauten Geräuschen (die sog. Hyperakusis) auch bei hörgeschädigten Menschen weiterhin bestehen kann. Generell sind die Regeln der Kommunikation in der unten angefügten Postkarte der Deutschen Alzheimer Gesellschaft empfehlenswert. 

Damit der nächste Geburtstag auch für Opa Klaus angenehm verläuft, ist ein wesentlicher Faktor aber auch die Sensibilisierung innerhalb der Familie. Es schadet nicht, nacheinander und deutlich zu reden, die Hörgebeeinträchtigten in die Tischmitte zu setzen und sie in die Gespräche einzubeziehen; so können die Familiennachmittage auch für alle ein Fest werden – Prost! 

 

>>Hier können die Postkarten bestellt werden <<

Referenzen:

1 siehe https://www.schwerhoerigen-netz.de/statistiken/?L=0
2 Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32738937/ (Übersicht 7)