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Bundessozialgericht entscheidet: Hilfe zur Pflege für vollstationäre Betreuungsangebote auch für nicht Versicherte

  • Johannes Hoehnke
Das Bundessozialgericht in Kassel hat in einer seiner jüngsten Entscheidungen klargestellt, dass die Sozialämter Kosten für Betreuungsangebote im Pflegeheim auch für nicht Versicherte übernehmen müssen.

 

Hintergrund

Seit der Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II (PSG II) zum 01.01.2017 gibt es einen Anspruch auf die zusätzliche Betreuung und Aktivierung für alle Pflegeheimbewohnende mit den Pflegegraden von 1 bis 5. In vollstationären Pflegeeinrichtungen werden deshalb neben den Pflegeleistungen auch gesonderte Betreuungsleistungen erbracht, die durch einen extra Vergütungszuschlag abgerechnet werden.

Doch wie sieht es aus, wenn Heimbewohnende nicht kranken- bzw. pflegeversichert sind? Bisher war zumindest geregelt, dass das jeweils zuständige Sozialamt die Pflegeleistungen und die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernimmt. Wie jedoch verhält es sich bei den besonderen Betreuungsleistungen für Bewohnende ohne Versicherung?

Menschen können aus unterschiedlichen Gründen nicht kranken- bzw. pflegeversichert sein. Zum einen besteht bei Selbstständigen keine direkte Versicherungspflicht, sodass diese Personengruppe sich eigenständig freiwillig bzw. privat versichern müssen. Oft werden die Beiträge (insbesondere bei Beginn der Selbstständigkeit) als sehr hoch empfunden und daher zunächst ausgesetzt – es entstehen sog. Beitragslücken. Zudem sind häufig auch wohnungslose Menschen ohne Versicherung, weil sie keinen festen Wohnsitz haben und sie die Bürokratie vor enorme Herausforderungen stellt.

Die Sozialämter sind an den Kostenverhandlungen für die Leistungen nach § 43b SGB1 XI nicht beteiligt und plädierten im Klageverfahren dafür, die Kosten dementsprechend nicht übernehmen zu müssen.

Das Bundessozialgericht entschied anders und so sind die Kommunen verpflichtet, über die bestehende Kostenstelle „Hilfe zur Pflege“ nach dem SGB XII auch Betreuungsangebote zu finanzieren.

 

Was versteht man unter Betreuungsangeboten? 

Zusätzliche Betreuungsangebote nach § 43b SGB XI werden in der Betreuungsrichtlinie (nach § 53 SGB XI) unter § 2 Absatz 2 näher erläutert. Es handelt sich dabei um die Betreuung und Unterstützung der Bewohner durch eigens dafür ausgebildete Mitarbeitende; dies kann z. B. sein: Malen und Basteln, Handwerkliche oder leichte Gartenarbeiten, Kochen und Backen, Musik hören, Musizieren, Singen, Brett- und Kartenspiele, Spaziergänge und Ausflüge, Bewegungsübungen und Tanzen in der Gruppe, Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Gottesdiensten und Friedhöfen oder Lesen und Vorlesen.

Insbesondere für Menschen mit Demenz sind die Betreuungsangebote essenziell, da sie in den Bereich der nicht-medikamentösen Therapie fallen. Das bedeutet, diese Angebote tragen dazu bei, den fortschreitenden Verlauf der Erkrankung abzufedern.

 

Bedeutung des Urteils

Das Bundessozialgericht stärkt mit dem Urteil die Rechte derjenigen Pflegeheimbewohner, die aufgrund unterschiedlicher Ursachen keine Versicherung bzw. eine sehr lückenhafte Beitragshistorie haben. Es stellt klar, dass die Hilfe zur stationären Pflege den gleichen Umfang haben soll wie die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung.

Die Entscheidung ist ein zweischneidiges Schwert, denn einmal mehr wird die Stärke unseres sozialen Sicherungssystems unter Beweis gestellt, welches auch den Schutz von Versicherungslosen im Blick hat. Andererseits werden nun die kommunalen Haushalte mit zusätzlichen Kosten belastet. Die seit Jahren stetig steigenden Kosten im Bereich „Hilfe zur Pflege“ belasten die kommunalen Haushalte sehr. Es bleibt abzuwarten, wie politische Entscheidungsträger das Deutsche Pflegesystem umbauen, damit sich dieser Trend nicht weiter fortsetzt.

 

>>Hier gehts zum Artikel des Ärzteblatts<<

 

1 SGB = Sozialgesetzbuch