5. Norddeutscher Fachtag Demenz in Lüneburg
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Wenn Angehörige Pflegebedürftigkeit zuhause bewältigen – aktuelle Herausforderungen und Unterstützungsangebote
Prof. Dr. Andreas Büscher, Wissenschaftlicher Leiter DNQP, Hochschule Osnabrück:
Netzwerkarbeit auf den Punkt gebracht
Katrin Kroppach, DemenzNetz Oldenburg im Versorgungsnetz Gesundheit e.V.
Wie kann es weitergehen? Impulse aus der Versorgungslandschaft
„Nicht dran fummeln, wenn’t löppt“
Lilja Helms, PRO DEM e.V. Stuhr:
Zusammenfassung
Über 140 Fachkräfte unterschiedlicher Professionen und auch Angehörige haben am 19.04.2024 im Kulturforum Lüneburg viele Fragen und mögliche Antworten der zukünftigen Versorgung von Menschen mit einer Demenz diskutiert. Im Mittelpunkt standen am Vormittag neuste Erkenntnisse der Prävention von Demenzen und Belastungen und Unterstützungsstrategien von pflegenden Angehörigen.
Neben vertrauten Faktoren wie sportlichen Aktivitäten, eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung, betonte Frau Prof. Agnes Flöel den Stellenwert von ausreichend Schaf und einem guten Hörvermögen als zentrale Faktoren das Risiko einer Demenzerkrankung zu reduzieren. Mit dem Blick auf pflegende Angehörige wies sie darauf hin, dass diese Personen aufgrund der hohen Belastung, die sich über viele Jahre ziehen kann, ein 6-fach höheres Risiko haben, selbst das kann an einer Demenz zu erkranken. Dies betrifft zu einem überwiegenden Teil Frauen.
Ein Umstand dessen Bedeutung Prof. Büscher in seinem Vortrag zu „aktuellen Herausforderungen der häuslichen Pflege von pflegenden Angehörigen“ vor dem Hintergrund , nachdrücklich unterstrich. Die Bereitschaft zur pflegenden Leistung ist hoch, wird jedoch erschwert oder scheitert sogar an fehlender Unterstützung, da die Nutzung ergänzender professioneller Pflegeleistungen in hohem Maße an eine vorherige Beratung zu möglichen Leistungen, deren Finanzierung und psychosozialen Fragen gebunden ist. Und genutzt werden Beratungsleistungen insbesondere dort, wo diese wohnortnah gut erreichbar sind. Mit der Zunahme der Anzahl pflegebedürftiger Menschen bei nicht gleichwertigem Anstieg professioneller Pflegekräfte, werden Angehörige auch in Zukunft für die Sicherstellung der Pflege eine tragende Rolle einnehmen. Umso mehr, ist eine engmaschigere Unterstützung in Form von Beratung und Begleitung der pflegenden An- und Zugehörigen gefordert.
Im anschließenden Podium befanden sich Prof. Dr. Agnes Flöel von der Universität Greifswald, Prof. Dr. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück, sowie Gabriele Linster von Wir Pflegen Niedersachen e.V. und Brunhilde Becker als pflegende Angehörige Alzheimer Gesellschaft Oldenburg. Moderiert wurde durch Birgit Wolff, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V.
Der Blick auf die pflegenden Angehörigen zeigt, dass eine ständige Bereitschaft da ist, jedoch lassen mögliche Gegenwehr bei der Pflege, sowie Inkontinenz und Nachtaktivität die pflegenden Angehörigen in ihrer Aufgabe ertrinken, da diese in der Häuslichkeit ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu leisten ist. Der Verein „Wir Pflegen Niedersachsen e.V.“ setzt sich dafür ein, dass es für pflegeintensive Krankheiten auch im Sinne der Angehörigen ein Entlass-Management in den Kliniken geben müsse. Insbesondere aber wohnortnahe Hilfe und Beratung für finanzielle und psychosoziale Fragen, die mit der Pflege einhergehen. In den Flächenländern des Nordens sind die Arbeitsplätze für solche Beratungs- und Anlaufstellen nicht ausreichend für die Bevölkerung. Der Verein ist deshalb auch politisch aktiv, um darauf aufmerksam zu machen und das in den letzten Jahrzehnten Versäumte anzugehen.
Herr Prof. Dr. Büscher spricht sich dafür aus, dass Beratung vor Ort gebracht werden müsse. Fokus müsse sein – Wie kann die derzeitige Situation verbessert werden, Strukturen genutzt und ausgebaut. Aktuell ist die Beratungsinfrastruktur zwischen den Bundesländern und auch innerhalb stark unterschiedlich. Bundeseinheitliche Maßnahmen und Unterstützungen könnten zielführend sein. Eine Möglichkeit wäre eine bundeseinheitliche Telefonnummer. Denn es geht um die Zugänglichkeit: Beratung muss barrierearm auf dem Marktplatz passieren oder über andere, mediale, Zugänge. Eine wichtige erste Anlaufstelle sind die hausmedizinischen Praxen. Diese können aber mit bestehenden Strukturen die Beratung nicht zusätzlich leisten. Laut Frau Prof. Dr. Flöel sind Forschungsprojekte mit der Universität Greifswald diesbezüglich initiiert.
Zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause gepflegt. Für diese Herausforderung müssen Sie heute und morgen gewappnet sein. Die Erkenntnis ist unumstößlich – nun braucht es handfeste Unterstützung!
Weitere Punkte und Fragen aus dem Publikum betrafen die Zukunft der ambulant betreuten Demenz-Wohngemeinschaften. Es gäbe wenig Angebote, dabei seien sie ein schönes Beispiel für die Verzahnung ehrenamtlicher und professioneller Betreuung. Die besondere Struktur dieser ermögliche einen einzigartigen Beziehungsaufbau zu Pflegenden und untereinander. Diese kleinen Einheiten fehle es an Lobby und sie stünden viel zu oft vor politischen und finanziellen Hürden.
Aus der gemeinsamen Diskussion wird als wichtigster Faktor des Weges klar: Es muss bei verlässlichen Beratungsinfrastrukturen, personelle und finanzielle Unterstützung beginnen, um den Zugang zu dem Hilfesystem zu ermöglichen und zu erhalten. Ein weiterer Zweig der Unterstützung für Betroffene ist die Begleitung der häuslichen Pflege. Diese muss kommunal und langfristig strukturiert werden. Eine Weiterqualifizierung von Personal muss sich lohnen. Dazu gehört auch die Erweiterung des Handlungsbereichs ambulanter Pflege, sowie die Zusammenarbeit von Pflege und den Hausärztinnen und -ärzten. Deutlich wird, dass es kein Erkenntnisdefizit gibt, sondern ein Umsetzungsdefizit insbesondere in der prozesshaften, psychosozialen Unterstützung der Pflegeleistenden.
Zur Umsetzung sind kommunale Strukturen gefragt, die es ermöglichen, dass unterschiedliche Berufsgruppen und Akteure leicht und zielgerichtet in den Kontakt kommen können, um „Hand-in-Hand“ arbeiten zu können und Doppelarbeit zu vermeiden. Dies gelingt, wie Impulsbeiträge aus der Versorgungslandschaft auf dem Fachtag gezeigt haben, dort gut, wo mit professioneller Moderation gezielt relevante politische Akteure, Fachgruppen und Bürgerinnen und Bürger anhand von Fallbeispielen miteinander ins Gespräch gebracht werden.
Laura Fröhlich veranschaulichte ergänzend, wie wichtig die Aufmerksamkeit für die eigenen Belastungsgrenzen ist um dem “Mental Load” des Pflegealltags zu begegnen, Hilfe zu suchen, anzunehmen und sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren.
Als drängender Punkt für die Sicherstellung der Pflege in Deutschland wurde auch wiederholt die Klärung der zukünftigen Finanzierung der Pflege angesprochen. Das aktuelle Finanzierungsdefizit in der Versorgung demenziell erkrankter Personen stellt die adäquate Versorgung Pflegebedürftiger in Frage und verhindert entlastende Versorgungsformen wie kleinteilige Wohn-Pflege-Angebote, die vor dem Hintergrund steigender Prävalenz wichtige Konzepte sind, um der künftigen Herausforderung begegnen zu können.